Wüstentour Marokko

Wüstentour in Marokko. Oder: Eine Nacht im stehengebliebenen Van

In Afrika, Reisen by shavethewhales9 Comments

On horseback you feel as if you’re moving in time to classical music; a camel seems to progress to the beat of a drum played by a drunk.” Walter Moers

Kamel in MarokkoKamel in MarokkoKamel in Marokko

10 Touristen auf dem Weg von Marrakesch in die Sahara. Dazwischen: ein geschlossener Gebirgspass und das Atlasgebirge, komplett zugeschneit. Der Himmel über Marrakesch ist grau wie eine Eselsherde. Wir sitzen seit drei Stunden in einem Café fest, haben dem Wirt einen Rekordumsatz durch warmen Tee beschert und die besten Strategien gegen kalte Füße entwickelt (am Wirksamsten: Plastiktüten drumwickeln, am Sinnlosesten: warme Gedanken).

Meine schmerzenden Hüftknochen erinnern mich an die letzte Nacht im Gemeinschaftsraum, die Betten im Hostel waren voll und meine Füße zu platt zum Weitersuchen. Meine immer wieder zufallenden Augen zeugen vom Saufgelage deutscher 18-jähriger auf ihrem ersten Trip ohne Mama, das gestern nacht im gleichen Raum stattfand.

Restaurant in Marokko

Den Einzigen, den die Zwangspause nicht stört, ist unser Guide, der unter seinem weißen Turban grinst und seiner Musik lauscht. Laute, die an getretene Katzen oder sterbende Schafe erinnern und die uns die gesamte Fahrt im Bulli begleiten werden.
Als der Pass öffnet, fahren wir inmitten einer Traube laut hupender Autos los. Während die Regenwolken im Rückspiegel kleiner werden, blicken wir den Schneemassen des Atlas entgegen. Es braucht nur eine winzige Kurve, um festzustellen, dass unser Van keine Winterreifen hat. Wir schleudern wild zwischen Gebirgshängen und Felswand, den Blick auf die Wracks gerichtet, die Meter unter uns im Busch hängen. Der Kanadier neben mir hat die Hand am Türgriff, um jederzeit rausspringen zu können.

Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich eher vor Kälte oder vor Angst zittere. Unser Guide erwähnt beiläufig, dass es noch einen zweiten Pass zu durchqueren gibt, der vielleicht geschlossen ist, dann müssten wir alles zurückfahren. Inzwischen ist es so spät, dass es dämmert und es schüttelt mich beim Gedanken an die gleichen steilen Abhänge im Dunkeln. Vor der zweiten geschlossenen Schranke bricht allmählich Hysterie aus. Selbst als sie geöffnet wird, hängen wir kurz später hinter querstehenden LKWs fest.

Und doch; sehr spät nachts tauchen die Lichter von Ourzazate, der Wüstenstadt am Horizont auf. Als wir gerade euphorisch werden, gehen die Lichter unseres Bullis aus und wir bleiben stehen. Hinter uns eine Haarnadelkurve, vor uns noch viele Kilometer bis zur Stadt, auch wenn man sie schon sehen kann. Der Guide schaut lange ratlos in die Motorhaube. Wir schwenken unsere ipods, Laptops und Handys durch die Nacht, die einzigen Lichtquellen, wenn ein Auto kommt.

Ich verfluche die Gelassenheit der Marokkaner, die sich erst nach Stunden der Diskussion dazu durchringen können, einen neuen Van zu bestellen. Ich verfluche ihr „Inscha Allah“ (So Gott will), dass sie als Antwort auf jede Frage nach Zeit oder Ankunft geben. Obwohl ich genau weiß, dass ihre Einstellung das einzige Mittel ist, hier zu überleben, im Land der Verspätungen und der Unvorhersehbarkeiten. Nach vielen nachdenklichen Blicken in die Motorhaube entscheidet sich der Guide, Hilfe zu rufen und irgendwann wird unser schrottiger Bulli durch einen noch schrottigeren Bulli ohne Heizung ersetzt.

Von dem Hotel, in dem wir wohl irgendwann halb komatös angekommen sein müssen und  dass wir früh morgens wieder verlassen, habe ich nicht mehr viel Erinnerung. Sie beginnt erst im Teppichladen wieder, der als erster Programmpunkt auf der Agenda steht. Erst als jemand endlich einen der Teppiche kauft, den man „sehr klein aufrollen“ und „problemlos an den Rucksack hängen“ kann, dürfen wir weiter, erst zum Canyon de Dadès, dann zu den Kamelen.

Carpet Shop

Mein Kamel heißt Mohammed, genau wie alle anderen Kamele in der Herde (Marokkaner geben sich bei der Kamelnamensgebung wenig Mühe, es sind eben „nur Tiere“). Er schaut mir mit halb geschlossenen Lidern entgegen, einen Halm Heu kauend. Sein Fell ist lang und plüschig, man merkt, dass Dezember ist.

Merzouga, Marokko

Weil wir so lange im Teppichladen gebraucht haben, findet die Hälfte unseres Dünenritts im Dunkeln statt. Kamele schaukeln am meisten, wenn sie Dünen runterlaufen und ich kralle mich fest in den Sattel, denn ich kann nicht ansatzweise sehen, wohin ich sonst fallen würde.

Sobald die Sonne weg ist, spüre ich in meinen Füßen nichts mehr als Frost. Im Zeltlager gibt es weder Strom noch fließend Wasser, nur Kerzen und ein Lagerfeuer. Wir laufen zum Warmwerden die höchste Düne rauf. Mit hoch meine ich riesig, etwa 20 Meter. Meine Füße versinken im Sand und ich habe nicht das Gefühl, mich vom Fleck zu bewegen. Es ist, wie eine Rolltreppe hochzulaufen, die runter fährt, man muss sich schwer abstrampeln (das Runterlaufen macht mehr Spaß, es fühlt sich an wie irgendwas zwischen Hüpfburg und Skifahren).

Oben angekommen blicke ich in ein Meer von Sternen, es sind mehr, als ich je zuvor gesehen habe. Ein fast voller Mond beleuchtet die Dünen, die fein gewellten und die glatten aus feinstem Puderzuckersand. Es ist so still, dass man meint, man könne der Welt dabei zuhören, wie sie sich dreht. Ich bin trotz Kälte, Zelt und Tränen so dankbar, hier zu sein.

Kamel, Marokko

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Eine Wüstentour in Marokko kannst du am günstigsten vor Ort, in Marrakesch buchen. Ich habe meine über das Equity Point Hostel gebucht, leider nicht empfehlenswert (obwohl wir die Hälfte der Tour verpasst haben, gab es weder Geld zurück noch irgendein anderes Ausgleichsangebot.) Frag am besten die anderen Reisenden, die von der Tour zurück kommen.

Comments

    1. Author

      Er ist vergleichsweise günstig, der Traum, Eippy! Marokko ist nicht weit und Kameltouren kann man überall buchen. Ich würde nur nächstes Mal vorher die Bewertungen des Veranstalters lesen ;)

  1. Danke für den interessanten Post!
    Ich hoffe, dass dieses Jahr mein Traum von Marokko auch endlich in Erfüllung geht.
    Ich würde wohl mit der Fähre von Tarif nach Tanger übersetzen und dann weiß ich auch noch nicht…

    Von wo hast du deine Kameltour gestartet? Und kannst du einen Veranstalter empfehlen? :)

  2. Author

    Hallo Julia, gerne. Ich habe die Kameltour von Marrakesch aus gestartet. Ich habe sie dort im Equity Hostel gebucht, leider gar nicht empfehlenswert. Erstens wegen dem Schrottbus, zweitens wegen nicht vorhandenem vegetarischem Essen, das ich bestellt hatte (in der Wüste ist das ein Problem, weil man nicht mal eben was anderes kaufen kann) und drittens weil der Veranstalter nichtmal bereit war, mit uns wegen Teilerstattung zu reden (wir haben wegen der vielen Verspätung viel von der Tour verpasst)

  3. Hey!
    Ich war vergangenen Oktober in Marokko und habe das Land geliebt. Als alleinreisende, blonde Frau hatten viele meiner Bekannten zuhause Angst um mich. Aber ich kann sagen, dass es völlig unbegründet war. Ich selbst war auch ganz sicher, dass mir nichts passieren würde :-) Zuerst war ich in Tamraght, einem kleinen Dorf 10 km nördlich von Agadir zum Surfen. Dann ging es noch für 5 Tage nach Marrakesch. Für eine Wüstentour fehlte leider die Zeit… Marokko ist ein Land, in dem man viele nette, hilfbereite Menschen kennen lernt und den Islam als friedliche, willkommen heißende Religion erlebt. Ich war ganz bestmmt nicht zum letzten Mal dort!

    1. Author

      Hey Christine! Wie schön, dass du so gute Erfahrungen gemacht hast! Ich glaube, die Überzeugung, dass nichts passiert, ist mit das Wichtigste ;)

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  5. Die Tour in die Wüste auf dem Kamel haben wir auch gemacht – allerdings mit Kleinkind auf dem Rücken. War eine der genialsten Nächte in meinem Leben, aber wir hatten auch das ganze von einer Reiseagentur managen lassen. Würd ich in diesem Land auch tatsächlich ausnahmsweise empfehlen, ich hatte vorher versucht, alles selber zu buchen, kam mir aber vor, als würde ich die ganze Zeit nur verarscht werden. Dein Bericht zeigt, dass mein Gefühl durchaus der Realität entsprechen könnte.

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