Día de los muertos, Tag der Toten, Mexiko-Stadt:
Ein Ubahnwaggon steht mitten auf dem Zócalo, Mexico City´s zentralem Platz. Er wurde umgebaut zur Geisterbahn, Durchlaufen ist gratis, die Warteschlange lang. Auf den Märkten werden Holzfiguren verkauft, ein Skelett, dass ein Skelettbaby zur Welt bringt, eine Skelett Müllabfuhr, eine Skelettbäckerei. Catrina, das berühmte Skelett mit Kleid und Federhut, grinst mich von überall her an.
Alle Menschen der Stadt scheinen sich auf den Straßen versammelt zu haben, um den Tag der Toten zu feiern. Sie sind verkleidet, die meisten davon als Skelett oder Zombie. Ich stehe inmitten von Massen abgetrennter Gliedmaßen, kunstblutverschmierte Gesichter und lautem Lachen.
Auch wenn es sich für mich immer noch seltsam anfühlt, den Tod zu feiern, ich genieße es, Teil dieser skurrilen Welt zu sein. Ich habe mit meinen mexikanischen Freunden in ihrem Wohnzimmer einen kleinen Altar aufgebaut, denn heute kommen die Seelen der Toten zu Besuch. Ich habe Totenbrot gegessen und kleine Totenschädel aus Zucker, auf deren Stirn der Name des Verstorbenen stand. Ich habe mit viel Tequila und Pulque darauf angestoßen, dass heute nochmal ein Tag ist, um mit ihnen zu feiern.
Denn Mexikaner glauben nicht an den Tod. Für sie ist Sterben nur ein Ortswechsel.
Was viele pietätlos finden, ist für mich die Kunst, nicht über Dinge zu trauern, die man nicht ändern kann. Sich nicht zu lang von Trauer vereinnahmen zu lassen. Weil irgendwann Lachen viel besser hilft als Weitertrauern. Die Mexikaner beherrschen diese Kunst perfekt. Wenn sie wollten, könnten sie tausend Gründe finde, traurig zu sein. Die Opfer des Drogenkriegs, die Unsicherheit, die Kriminalität, die Armut und die Ungleichheit zwischen arm und reich. Fast jeder Mexikaner hat mit einem dieser Probleme zu kämpfen. Aber sie sind nicht traurig.
Ich fahre am nächsten Tag nach Pátzcuaro auf die Isla Janitzio, hier wird der Tag der Toten noch sehr traditionell gefeiert, in der Hauptstadt fangen die Menschen langsam an, ihre Tradition mit Halloweenbräuchen zu mischen. Ich bin schon auf dem Boot zur Insel von tanzenden Menschen umgeben. Ich schaue den Frauen zu, wie sie riesige Körbe Blumen zu den Friedhöfen tragen. Wie alle ihre schönsten Kleider anziehen und sich abends zum Tanzen treffen. Wie der See im Dunkeln von den Kanus erleuchtet wird, mit denen die Männer ihre Kreise ziehen. Wie sie später auf den Friedhöfen die Toten treffen, wenn sie zu Besuch aus dem Jenseits kommen. Wenn man bedenkt, dass sie sich so lange nicht gesehen haben, ist das wirklich ein sehr erfreulicher Anlass.
Fotos aus Mexico City und Pátzcuaro
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