Alles Nerds? Barcamp in Hamburg aus Sicht einer Ahnungslosen

In Reisen by shavethewhales6 Comments

Barcamp Hamburg bei Otto  Barcamp Hamburg bei Otto

Update: Dies ist mein Bericht vom Barcamp 2013. Ich war 2016 wieder da und gleichermaßen begeistert!

Hätte man mich 3 Minuten vor Beginn gefragt, was ein Barcamp ist, ich hätte nicht wirklich antworten können. Ich hatte gefährliches Halbwissen. Ich wusste, ich würde mein Wochenende unter Nerds verbringen und Gesprächen über Quellcodes lauschen, ohne ein Wort davon zu verstehen.

Beide Annahmen erweisen sich direkt beim Reinkommen als falsch. Schon in der Warteschlange sprechen die Menschen miteinander (nicht über Quellcodes) und wollen meine Erwartungen so gar nicht erfüllen.

Später stellen sie sich vor versammeltem Publikum auf die Bühne, um ihr Thema vorzustellen. Wenn es genug Leute interessiert, dürfen sie einen Workshop dazu halten. Jeder darf etwas vorschlagen, die Themen reichen von: Werde ein guter Youtuber bis Ich will über Monsterfilme reden.

Es ist wie Social Media übersetzt ins richtige Leben: jeder, der den Drang verspürt, darf etwas sagen. Es gibt keine Hierarchien, selbst ich, die nie twittert und auch Wordpress oft nur schlecht versteht, dürfte auf die Bühne.

Das Publikum gibt direkt Rückmeldung, was es will und was nicht. Ich bewundere den Mut derer, die sich so zahlreich auf die Bühne trauen. Ich fühle mit ihnen, wenn sich kaum jemand für ihr Thema meldet. Ich beobachte Enttäuschung in zusammengepressten Lippen oder erleichtertes Lachen, wenn viele Hände für ein Thema hochgehen. Trotzdem, hier haben alle verstanden, dass ehrliches Feedback am meisten hilft, eine Idee zu verbessern. Stellt jemand etwas vor, was keinen Anklang findet, geht er zurück ans Ende der Schlange und trägt eine neue Idee vor.

Ich beobachte das Publikum. Würde ich unwissend in diesen Raum treten, ich könnte nicht raten, um was es hier geht. Blau gefärbte Haare sitzen neben Hipsterbrillen und Segelschuhen, Veganer neben Mett-Liebhabern. Kleinkinder krabbeln durch die Stuhlreihen, graue Haare wehen im Wind der Klimaanlage.

Das Thema, über das ich mich am meisten freue, ist Reisen für Nerds. Hacken von Flugsuchmaschinen und für 170 Euro nach Sydney fliegen. Und zurück. Es ist einer dieser Momente, in denen ich es bedauerlich finde, selbst kein Nerd zu sein.

In den Workshops (oder Sessions) weiß der Referent nie genau, wer da vor ihm sitzt. Es könnten Menschen sein, die viel mehr über das Thema wissen. Das ist okay, sie ergänzen dann, widersprechen, unterbrechen. Hier gelten die gleichen Gesetze der Ehrlichkeit. Wem´s nicht gefällt, darf aufstehen und gehen. Das ist hier nicht unhöflich, sondern bedeutet nur, dass das Thema gerade nicht zu mir passt. Ich darf auch dann Fragen stellen, wenn ich das Gefühl habe, alle seien mir um Längen voraus. Soziale Regeln, die ich sehr angenehm finde.

Ich beobachte wenig Besserwissertum und viel Bereitschaft, von anderen zu lernen. Wenig Selbstdarstellung und viel Bemühen, anderen weiterzuhelfen. Wer etwas sagt, sagt es verständlich, statt mit Fachbegriffen zu verkomplizieren.

Ein Barcamp vereint alle Dinge, die ich an der Uni oft schmerzlich vermisst habe. Könnte nicht jeder Uniprofessor mal ein Barcamp besuchen? Wahrscheinlich hätte ich dann in der Uni genauso selten auf die Uhr geguckt wie im Barcamp, nämlich nie.

Es gibt auch die Menschen, die gern „rumnerden“ wie sie es selbst nennen. Was verdammt interessant sein kann. Denn so ist das Internet, was heute noch vielen zu abgefahren klingt, ist morgen genial und die Zukunft. Das Barcamp ändert meine eigene Definition von Nerd; oft sind das Menschen, die genau das Thema gefunden haben, das sie begeistert und in dem sie genial sind. Ich finde das nicht nur beneidenswert, ich kenne auch sehr wenig Menschen, die das von sich behaupten könnten. Das Barcamp ist für mich mal wieder eine Erinnerung, dass ich mir keinen Gefallen damit tue, vorschnell zu urteilen.

Alles füllt mich bis unter die Schädeldecke mit neuen Ideen. Es gibt sie, die Momente, in denen ich mich extrem unwissend fühle. Aber statt daran zu verzweifeln, bekomme ich hier das Gefühl, dass ich alles lernen kann.

Danke an die Organisatoren des Barcamp Hamburg! Ich war tief beeindruckt von denen, die so eine Veranstaltung ehrenamtlich auf die Beine stellen! Danke Vivian Pein! Danke an die Sponsoren:

Comments

  1. Pingback: Einmal mehr: Danke, Barcamp Hamburg #bchh13 | daniel rehn - digitales & reales

  2. Liebe Caroline,

    das ist einer der schönsten „Recaps“ eines Barcamps, die ich seit langer Zeit gelesen habe. Es liegt daran, dass ich die Muster kenne, wie man ein Barcamp rückblickend betrachten kann und über all die Jahre, haben sich genau diese Muster eingefahren. Leider. Umso mehr freut es mich, wenn jemand Neues diesen Kreis der Süchtigen (und Barcamps machen süchtig) bereichert.

    Hab vielen Dank für deinen unverbluhmten und schönen Einblick in die Welt, wie wir beim Abnerden so auf Aussenstehende wirken können. Ich freue mich, dich auf einem der nächsten Barcamps zu treffen.

    Liebe Grüße,
    Kai

    PS: Wenn Du fragen zu Twitter hast, melde dich einfach.

    1. Author

      Lieber Kai,

      lieben Dank für dein Lob, ich freu mich. Und danke für ein neues Wort: Recap
      Ich werde es für´s nächste Barcamp in mein Vokabular aufnehmen :) Ja, ich würd mich freuen, dich da zu treffen, so machen wir´s. Und danke für das Twitternachhilfe Angebot, ich werd es bestimmt demnächst brauchen.

      Liebe Grüße,

      Caroline

  3. Hallo Caroline,

    super Blog und sehr schöner Beitrag!

    So ein Barcamp würde ich auch gerne mal mitmachen. Ich werde gleich mal recherchieren, ob es sowas auch bei uns in der Nähe von Koblenz gibt. Danke für den Tipp!

    Viele Grüße
    Kim

      1. Vielen Dank für die prompte Antwort! Deine Liste werde ich mir genauer ansehen.

        Danke und viele Grüße
        Kim

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